Ich erwarte mir ...

Bei uns gehen immer wieder Fragen zur Betreuung der ABA ein. Oft kommt es zu falschen Erwartungen und Missverständnissen, was die Aufgaben der Betreuungsperson betrifft. Was konkret soll bzw. muss also Teil der Betreuung eines Schülers bzw. einer Schülerin bei der Erstellung seiner bzw. ihrer ABA sein?

Wir befragten Dr. Eva Eichmair, ABA-Betreuungslehrerin am BORG 15 in Wien, und die Schülerin Kerstin Führer, die eben ihre ABA abgeschlossen hat, zu dem Thema.

Was halten Sie von einem „Contracting“, in dem Betreuungsperson und Schüler bzw. Schülerin die Form und Regeln einer möglichen Zusammenarbeit sowie Zuständigkeiten klären?
Kerstin Führer (Schülerin): Ein „Contracting“ in diesem Sinne fände ich sehr sinnvoll, da es dadurch vermutlich zu weniger Missverständnissen zwischen Betreuer bzw. Betreuerin und Schülerin bzw. Schüler kommt.
Eva Eichmair (Lehrerin): Das wäre sicher nützlich, auch im Fachunterricht müssen die Beurteilungskriterien im Sinne einer transparenten Notengebung besprochen werden. Ich glaube aber, dass die meisten Kolleginnen und Kollegen ohnehin mit den Schülerinnen und Schülern, die sie betreuen, über diese Themen sprechen.

Welche Inhalte sollte ein solches Gespräch haben, was sollte geklärt werden?
Kerstin Führer (Schülerin): Bei meinem ersten ABA-Gespräch mit meiner Betreuungslehrerin wurde besprochen, wie wir es mit der Terminvereinbarung handhaben werden, welche Art von Protokollen zu führen sind, die genaue Kapitelunterteilung, die Art der Arbeit (empirisch, …) und wie ich am besten anfange zu schreiben.
Eva Eichmair (Lehrerin): Das ist wahrscheinlich von Schülerin zu Schülerin bzw. von Schüler zu Schüler etwas unterschiedlich. In jedem Fall sollte klargemacht werden, dass der Betreuer bzw. die Betreuerin Unterstützung anbietet, dass aber dazu auch eine gewisse Zeiteinteilung notwendig ist. Manche Schülerinnen und Schüler zeigen – auch auf Nachfragen durch die Lehrperson – wochen- und monatelang keine Arbeitsergebnisse, melden sich dann zwei Tage vor Abgabefrist und erwarten eine prompte Rückmeldung mit einem fundierten Feedback. Dem Kandidaten bzw. der Kandidatin muss klargemacht werden, dass das nicht funktioniert.
Natürlich kann man auch einen gewissen Terminplan besprechen, wenn der Schüler bzw. die Schülerin dazu tendiert, alles aufzuschieben und man sichergehen will, dass er oder sie deshalb nicht in Schwierigkeiten kommt. Ich weise meine Kandidatinnen und Kandidaten auf die Wichtigkeit der Einhaltung von vereinbarten Terminen hin und mache Vorschläge im Hinblick darauf, wann welche Teile der Arbeit fertiggestellt werden sollten. Einen genauen Terminplan gebe ich jedoch nicht vor bzw. lege ich auch nicht gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern fest. Dieser Teilaspekt des Verfassens der ABA – Selbstständigkeit und Zeiteinteilung – sollte von den Schülerinnen und Schülern meiner Ansicht nach allein bewältigt werden.

Was kann sich ein Schüler bzw. eine Schülerin von der Betreuungskraft erwarten, was sind deren Aufgaben?
Kerstin Führer (Schülerin): Als Schülerin erwarte ich mir von meiner Betreuungskraft vor allem Interesse an meinem Thema und an der Arbeit. Weiters sollte sie engagiert sein und mir für Fragen zur Verfügung stehen. Natürlich müssen die Schülerinnen und Schüler selbstständig arbeiten und es ist nicht die Aufgabe der Betreuungspersonen, ihnen hinterherzulaufen. Sie sollten sie aber unterstützen, Verbesserungsvorschläge einbringen und sie ansonsten selbstständig arbeiten lassen.
Eva Eichmair (Lehrerin):

  • Hilfe beim Finden der Themenstellung und bei der Strukturierung der Arbeit, die erfahrungsgemäß die größte Hürde darstellt
  • Eventuell Denkanstöße beim Suchen von Literatur bzw. Rückmeldung zu bereits gefundener Literatur
  • Rückmeldung zu formalen Aspekten: Zitieren, Formatierung
  • Rückmeldung zu inhaltlichen Aspekten: Richtigkeit von Informationen, eventuell notwendige Ergänzungen
  • Rückmeldung zu sprachlicher Gestaltung: Verständlichkeit, Sprachrichtigkeit (wenigstens an einigen Textpassagen aus der Arbeit zeigen, welche Überarbeitungen notwendig sind)

Was gehört Ihrer Meinung nach nicht zu den Aufgaben einer Betreuungsperson?
Eva Eichmair (Lehrerin):

  • dem Schüler, der Schülerin ein Thema „vorschlagen“ (à la „Geben Sie mir ein Thema“)
  • Arbeiten erledigen, bei denen die Betreuungskraft allenfalls ein Berater bzw. eine Beraterin sein sollte (Literaturbeschaffung)

Was sollte sich die Betreuungskraft von der Schülerin bzw. dem Schüler erwarten können?
Eva Eichmair (Lehrerin):

  • Eigeninitiative: Die Schülerin bzw. Schüler sollte bei vereinbarten Treffen mit dem Betreuer bzw. der Betreuerin Fragen stellen bzw. Pläne über das weitere Vorgehen vorlegen, nicht umgekehrt.
  • Verlässlichkeit: z. B. Erscheinen zu vereinbarten Besprechungsterminen
  • Bereitschaft, sich tiefergehend mit einem Thema auseinanderzusetzen; dies setzt auch voraus, dass es eine Bereitschaft zur Überarbeitung gibt.

Kerstin Führer (Schülerin): Auch ich bin der Meinung, dass sich die Betreuungskräfte von ihren Schülerinnen und Schülern selbstständiges Arbeiten erwarten dürfen, dass Schülerinnen und Schüler nachfragen und die Anforderungen annehmen und die Verbesserungsvorschläge umsetzen.

Was fällt Schülerinnen und Schülern Ihrer Erfahrung nach am schwersten? Wo kann die Betreuungskraft am meisten helfen?
Eva Eichmair (Lehrerin): Meiner Erfahrung nach fällt es den Schülerinnen und Schülern am schwersten, genau zu definieren, welcher Fragestellung sie nachgehen wollen und mithilfe welcher Struktur sie diese Fragestellung im Rahmen ihrer ABA aufarbeiten wollen. Hier sollte der Betreuer bzw. die Betreuerin auf jeden Fall unterstützend eingreifen, da dieser Arbeitsschritt für das Gelingen der Arbeit meiner Ansicht nach die Grundvoraussetzung ist.

Inwieweit haben die betreuenden Lehrkräfte für Schülerinnen und Schüler im Rahmen ihr ABA-Betreuung erreichbar zu sein?
Eva Eichmair (Lehrerin): Grundsätzlich gilt für mich, dass ein Betreuer bzw. eine Betreuerin nicht immer für den Schüler bzw. die Schülerin erreichbar sein muss. Natürlich bemühe ich mich als Betreuerin, auf Fragen des Kandidaten bzw. der Kandidatin möglichst rasch einzugehen, da davon auszugehen ist, dass diese bzw. dieser die Antwort für die Weiterarbeit benötigt. Allerdings muss der Schüler bzw. die Schülerin akzeptieren, dass der Betreuer bzw. die Betreuerin auch der Unterrichtsverpflichtung nachzukommen hat bzw. auch ein Privatleben hat. Schülerinnen und Schüler sollten den Zeitplan also auch mit jenem der Lehrkräfte abstimmen; es sollte nicht erwartet werden, dass Betreuerinnen und Betreuer z. B. während der Ferien sofort antworten. Es könnte also durchaus hilfreich sein, sich im Rahmen des oben genannten „Contractings“ auch über anstehende Verpflichtungen abseits der ABA bzw. der ABA-Betreuung auszutauschen.
Kerstin Führer (Schülerin): Die Erreichbarkeit der Betreuungsperson kommt natürlich auf den Zeitpunkt an. In den Sommerferien halte ich eine Reaktionszeit von zwei Wochen für angemessen, ansonsten sollte die Lehrperson, sofern sie in der Schule anwesend ist, jederzeit kontaktiert werden können, dies sollte jedoch nicht zu oft vorkommen. Ich habe mir mit meiner Betreuerin immer einen Termin für das nächste Treffen ausgemacht, damit wir beide vorbereitet waren.

Aus Ihrer Erfahrung: Wo tauchen bei der Betreuung die meisten Schwierigkeiten bzw. Missverständnisse auf?
Eva Eichmair (Lehrerin): Als besonders hinderlich für ein gewinnbringendes Betreuungsverhältnis empfinde ich fehlende Verlässlichkeit und Eigeninitiative. Es muss klar sein, dass es der Schüler bzw. die Schülerin ist, der bzw. die die Arbeit verfasst und nicht die Lehrkraft, während der Schüler bzw. die Schülerin nur das „Ausformulieren“ übernimmt.
Kerstin Führer (Schülerin): In meinem Fall gab es keine Missverständnisse, lediglich unterschiedliche Ansichten, was Layout, Satzkonstruktion etc. betroffen hat. Was ich aus meinem Umfeld mitbekommen habe, sollten sich die Schülerinnen und Schüler unbedingt regelmäßig mit ihren Betreuungspersonen unterhalten und, sollte es ein Missverständnis geben, dieses auch ansprechen.